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Ohsen, Burg (Schlutter)

Aus Historisches Emmerthal Wiki

"Politische Geschichte von Ohsen, als Schloss, Gericht, Amt

Erste Nachricht vom Schlosse Ohsen, Ursprung, Besitzer

Es ist gewöhnlich, daß die allerälteste Kunde von einem Orte in mündlicher Überlieferung wurzelt, - Zwar treibt der daraus entschossene Baum oft Auswüchse, welche die Kritik daran wegschneiden muss, doch ist in der Regel ein gesunder Stamm, auf den die gehörig dokumentierte Geschichte gepfropft werden kann. Dies gilt auch von dem Schlosse Ohsen.

Karl der Große war, wie wir schon bemerkt haben, der Erbauer. Der Ort war zu einer Zwingburg sehr gelegen, von hier wurde nach oben und unten das Tal beherrscht, wo die Sachsen, welche Karl bekehren und sich dauernd unterwerfen wollte, einen Hauptsitz hatten. Beim damalige Stande der Kriegskunst war das Schloss nicht anzugreifen; es lag auf einer Insel, einerseits von der Weser, anderseits von einem Weserarm gebildet, welche sich am Fuße des Bergs durchdrängte. Von dieser Lage wird auch der Name Ohsen herrühren, der offenbar zusammen gezogen ist aus Ohausen d.i. Haus im Fluss. Eine andere, unabhängig davon erhalten, oben bereits mitgeteilte Nachricht, daß nämlich Karl der Große der Stifter der Kirche in Ohsen sei, macht jene Sage noch Glaubwürdiger. Es war allerdings des freundlichen Kaisers, das die weltliche und die geistliche Macht sich vereinigen mussten, um seine Zwecke unter dem Volke der Sachsen gelingen zu machen.

Die Tradition welche mehrere Jahrhunderte später von dem Chronisten niedergeschrieben wurden, erzählt ferner: eine Gräfin von Osten Adegundina, mit dem Namen Christine getauft, sei nebst ihrem Gemahl Eberhard oder Bernhard, dem auf dem nahen Klütberg wohnenden Grafen von Büren, Wohltäter des Stifts Bonifacii gewesen. Beide haben die Bekehrung der heidnischen Sachsen dieser Gegend sehr gefördert und seien im Jahre 812 in der Kirche zu Hameln begraben. Dieser Osten wird nun allgemein für Ohsen genommen, wie denn auch eine alte Sachsenchronik das Schloss nicht Ohsen, sondern Osten nennt. Familiennamen hatte man freilich damals noch nicht, sie wurden erst im 11. und 12. Jahrhundert eingeführt. Die Gräfin Christine führte mithin auch nicht den Namen von Osten oder Ohsen, sie ist von den nach Einführung der Familiennamen schreibenden Chronisten in Beziehung auf ihre Herkunft erst später so genannt worden. (Diese Angabe gründet sich eigentlich auf die Inschrift eines Steins in der Kirche der Stifts St. Bonifacii in Hameln, die aber unverkennbar aus den 14. Jahrhundert herrührt, daher nur eine Tradition bekundet, und welche lautet: Anno dei DCCCXII Eternadus, comes, cristina, regini, angarie, de Osten fundarunt, hauo, ecobosian) aber das ist wohl daraus ersichtlich, das die Gräfin eine Tochter des Besitzers von Ohsen und das Schloss selbst demnach damals bereits vorhanden war.

Urkundliche Nachrichten reichen nicht so weit hinauf. Die älteste bis jetzt bekannte ist vom Jahre 1259. In diesem Dokumente erscheint Graf Konrad der VI. von Everstein als Besitzer des Schlosses; er trifft darin eine Vereinbarung über daßelbe mit dem Erzbischof von Cölln. Es war eine besondere Linie der Eversteinschen Grafen, die hier residierte. Graf Konrad nannte sich 1266 Graf von Everstein und von Ohsen (oder Osen, wie die ältere Schreibart ist). Seine Söhne Engelbert und Heinrich nennen sich nur Graf von Ohsen.

Jene Tradition lässt sich mit diesem Urkundlichen Besitze der Grafen von Everstein wohl vereinigen. Es lassen sich Autoritäten für die Meinung anführen, daß die Dynastengewalt, wie die der Eversteiner, aus der Gaugrafschaft entsprungen ist.

Die Würde der Gaugrafen ging bald vom Vater auf den Sohn über und wurde nach und nach erblich. Als die Gauverfassung sich dann allmählich auflöste, hatten die Grafen meist bedeutende Besitzungen erworben, über welche sie nun in ihrem eigenen Namen die Rechte ausübten, die sie ehemals als kaiserliche Beamte ausgeübt hatten, in dem sie sich der Macht des Kaisers entzogen oder indem sie von ihnen mit dem Grafenbanne auch über Güter andere Herren beliehen wurden, als die Gaue als politische Einteilung abkam. Die Annahme, daß auch die Eversteiner ursprünglich ein Grafenamt bekleidet haben, wird dadurch noch glaublicher, da sie als Grafen schon in den Urkunden vorkommen, ohne [das] der Familienname von ihren Schlössern hinzugefügt wird.

Vermutlich hat Karl der Große das zu Behauptung des Tals erbaute Schloss dem Gaugrafen anvertraut. In dieser Hinsicht verdient noch der Umstand beachtet zu werden, daß wie aus einer weiter unter zu erwähnenden Urkunde hervorgeht, der Graf von Everstein als Besitzer des Schlosses auch das Gericht in dem Ohsenschen Pfarrsprengel hatte.

Es wird diese Gerichtsbarkeit daher von den Karolingern verliehen sein, von denen die Pfarrsprengel der ersten Kirchen des christlichen Sachsens bestimmt wurden. Daß aber die Eversteiner zu Ohsen - Nachfolger nach direkter Abstammung oder doch im Güterbesitze - jener Christine von Osten und jenes Bernhard von Büren gewesen, welche die Kirchennachrichten als erste und vorzüglichste Wohltäter des Stiftes Bonifaii zu Hameln bezeichnet, wird da durch noch bestätigt, das die Grafen von Everstein die Schutzvögte des Stiftes waren, ein Verhältnis, welches sich am natürlichsten aus der Succession der Eversteiner in die Besitzungen Christines und Bernhard erklären lässt. Hieraus kann ferner nur erklärt werden, wie es zugehen mag, daß die Eversteiner sich oft in den Urkunden den Namen „de Buren“ beilegten.

Manche Umstände machen außerdem wahrscheinlich, daß die Eversteiner lange vor dem oben bemerkten Jahre 1259, schon Ohsen in Besitz gehabt haben. Sie waren außer mit der Advokatie über das Stift Bonifacii, auch mit der Vogtei  über die sich eben bildende Stadt Hameln von dem Abte von Fulda belehnt und hatten daher hier die Gerichte und noch anderes zu besorgen, was ihren Sitz im Orte oder in dessen unmittelbarer Nähe erforderte.

In Hameln aber war, ganz gegen die Sitte des Mittelalters, eine Burg nicht vorhanden. Wie die Eversteiner im Jahre 1259 und in den folgenden Jahren die Vogtei zu Hameln von Ohsen aus verwalteten, so lässt sich denken, daß sie schon im 11. Jahrhundert, wo sie bereits wichtiger Ämter in Hameln bekleideten, zu Ohsen ihren Sitz gehabt haben müssen. Besitzungen hatten sie urkundlich schon vor dem Jahre 1259 zu Nordohsen (dem jetzigen Dorfe Hagenohsen bei dem Schlosse). Denn in einer Urkunde von 1197 überlässt Graf Albert von Everstein dem Kloster Amelungsborn den Zehnten von zwei Mansen  ihm gehörendes Landes daselbst."

(Text entnommen aus Schlutter, Karl, Geschichte des Amtes Grohnde-Ohsen, Handschrift um 1900, veröffentlicht als Bd. 1 der Schriftenreihe des Hist. Archivs der Gemeinde Emmerthal)

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